Selten hat ein Unternehmen so rigoros und zugleich erfolgreich mit seiner Vergangenheit aufgeräumt: Aus der Weingartener Akzidenzdruckerei Harder wurde die harder-online GmbH, der Hauptsitz von Schwaben ins sächsische Elbland verlagert. Heute ist harder-online mit seiner Marke „Labelprint24“ einer der bekanntesten Online-Verpackungshersteller Europas.
An die frühere Druckerei Harder erinnern heute nur noch ein paar veraltete Einträge in Gewerbeverzeichnissen. 2009 erreichte die Krise der Akzidenzdruckereien, beschleunigt noch durch die damalige Finanzkrise, ihren Höhepunkt, markiert durch eine Vielzahl von Insolvenzen. Die Marktveränderungen, ausgelöst durch neue Medien und die Digitalisierung, überforderten viele Betriebe. Manch einer tappte in die Preiskampf-Falle: Im Ringen um Aufträge zur Auslastung des mittlerweile für die Auflagenstruktur ungeeigneten Equipments blieb der Umsatz auf der Strecke und damit die Fähigkeit, in neue, zukunftsweisende Technologien zu investieren. Genau diesem Preiskampf wollte die Familie Harder entgehen und zog aus der Situation die richtigen Schlüsse: Weg vom stagnierenden Akzidenzgeschäft hin zum wachsenden Verpackungsmarkt, Konzentration auf den Digitaldruck von Etiketten und die Erschließung des Internet als Vertriebsweg und Kommunikationskanal.
Abschied vom Analogen
„Wir mussten im Grunde komplett neu anfangen“, beschreibt Roman Kasper, Marketing Director der harder-online GmbH, den Prozess der Re-Spezialisierung. Und da lag es nahe, den alten Produktionsstandort ganz aufzugeben. „Wir hatten bereits gute Kontakte in den Osten“, so Roman Kasper. „In der Region um Dresden hat die Druckbranche eine lange Historie mit vielen Betrieben – für uns daher auch ein interessanter Arbeitsmarkt mit vielen Fachkräften und Know-how.“ Mit dem Umzug der Produktion – die Druckvorstufe blieb in Weingarten – zunächst nach Großenhain, später ins nahegelegene Zeithain, fiel auch die Entscheidung, die sich von der analogen Technik weitgehend zu verabschieden.
„Eine kürzest mögliche Lieferzeit ist heute eines der entscheidenden Kriterien“, begründet dies Roman Kasper. „Eine vom Auftragseingang bis zur Logistik durchgehend digitalisierte Produktion ist dafür aber die Voraussetzung.“ Hinzu komme, so Kasper, dass der Digitaldruck inzwischen eine höhere Qualität liefere als der Flexodruck. Die Strategie ging auf: Nur sieben Jahre nach dem Umzug gen Osten wurde der Standort Großenhain bereits zu klein. Im Kerngeschäft „digitale Etiketten“ erreichte das Umsatzwachstum 2016 über 20 Prozent. Längst waren auch andere Verpackungsprodukte wie Etikettenzubehör, Faltschachteln und Beipackzettel über den mehrsprachigen Onlineshop von Labelprint24 bestellbar. Letztere lässt harder-online wie andere nicht individualisierte Produkte in Großauflagen bei Partnerunternehmen fertigen. Im Gewerbegebiet Zeithain fand man eine ausreichend große, ungenutzte Halle und baute sie 2017 zu einer der modernsten digitalen Druckereien Europas um.
Vom Etikett zur Tube
Das beinhaltete auch einen neuen Maschinenpark. So wurde für den Faltschachteldruck eine HP Indigo 12000 Bogendruckmaschine im B2-Format angeschafft sowie eine HP Indigo WS 6800 Schmalbahn-Rollendruckmaschine. Hinzu kamen zwei weitere UV-Inkjet-Rollendruckmaschinen, von denen eine aktuell gegen ein schnelleres Modell eines anderen Herstellers ausgetauscht wird. Auch in der Weiterverarbeitung wurde in modernste Technik investiert, so zum Beispiel in eine Kama ProCut-Stanzmaschine, einen Schneidplotter für Prototypen und Kleinserien sowie eine Faltschachtelklebemaschine von Verso. Auch hier wird fortlaufend erneuert: Digitale Laser-Stanzmaschinen für Faltschachteln und Etiketten erweitern die Produktionsmöglichkeiten ebenso wie eine Laminattubenmaschine und eine von harder-online selbst entwickelte Anlage zur digitalen Heißfolienveredelung .
Wie bitte, Tuben? „Wir hatten eine Reihe von Kunden, die bei uns Etiketten für Tuben haben drucken lassen“, erläutert Roman Kasper, wie es ein solch ungewöhnlich erscheinendes Produkt in eine Etikettendruckerei geschafft hat. „Eigentlich ist eine solche Tube gar nicht so weit von einem Etikett entfernt: Wir bedrucken die Folie auf unserer HP 6800, schneiden sie, rollen die Rohlinge zu einem Schlauch und verschweißen sie. Nun noch der Verschluss rein, fertig.“ Der Direktdruck sei sogar günstiger und die so hergestellten Tuben zudem autoklavierbar – eine Anforderung die besonders bei Nahrungsmitteln, vielen Kosmetika und Pharmaprodukten gestellt wird. Auf der Fachpack 2018, an der harder-online zum ersten Mal als Aussteller teilnahm, präsentierte das Unternehmen seine Laminattuben zum erstem Mal einem breiten Fachpublikum. Das Kundeninteresse war so groß, dass sich harder-online eine eigene Laminattubenmaschine nach eigenen Vorgaben bauen ließ, die Anfang 2019 den Betrieb aufnahm.
Das System lässt drucken
Entscheidend für den Erfolg der digitalen Produktion bei harder-online ist ein weiterer Standort des Unternehmens: In Tschechien entwickeln IT-Spezialisten die gesamte Software, von den Webseiten und Online-Shops über Maschinensteuerungen bis hin zu den Produktionsworkflows. Eine besondere Spezialität sind die Schnittstellen, die hier zur Anbindung der Management-Systeme von Kunden entwickelt werden: Sie ermöglichen es, einen Bestellvorgang direkt aus der jeweiligen ERP-Software auszulösen, ohne Telefonate, Auftragsschreiben und dergleichen.
Wie weit eine solche Vernetzung gehen kann, zeigt das Beispiel des Müsli-Anbieters Mymuesli. Das Unternehmen aus Passau, welches über das Internet, in eigenen Läden und in Supermärkten individuelle Müsli-Mischungen verkauft, setzt bei seinem Geschäftsmodell auf das Produktionskonzept Mass Customization. Der Kunde soll nicht nur den Inhalt seines Müslis frei wählen, sondern auch die Müsli-Dose selbst personalisieren können, etwa indem er seinem Mix einen eigenen Namen gibt und ein persönliches Dosen-Design auswählt. Die Produktionslösung hat harder-online gemeinsam mit dem Kunden entwickelt: Nach dem Online-Bestellvorgang gehen die Druckdaten über eine Schnittstelle bei Mymuesli und automatisierte Workflows direkt zur Digitaldruckmaschine bei harder-online. Dort werden sie innerhalb von wenigen Stunden gedruckt, veredelt und am Folgetag als Etikettenrolle an die Fertigungslinie von Mymuesli nach Passau geliefert.
Quelle: Apicco/Harder-Online
„Das ist eine Option, die immer mehr Kunden nutzen“, bestätigt Roman Kasper. „Ebenso wie unseren selbstentwickelten, intelligenten Online-Kalkulator für Faltschachteln. Kunden können hier per Internet ihre Schachteln individuell frei konfigurieren und mit verbindlicher Preisangabe bestellen – bis hinunter zu Auflage eins.“ Zur Zeit betrage die Lieferzeit sieben bis zehn Tage, abgestrebt seien 72 Stunden.
Alles aus einem Guss
Faltschachteln, Müslidosen, Tuben – und die Liste ist hier noch nicht zuende – und all das unter dem Dach „Labelprint24“? Ist der Name nicht inzwischen etwas irreführend? Roman Kasper lacht: „Etiketten sind nach wie vor unser Kerngeschäft. Wir verstehen uns aber in der Tat heute eher als Verpackungshersteller, mit der voll digitalen Faltschachtelproduktion ohne Stanzform als dem am stärksten wachsenden Segment. Wir haben überlegt, ob wir für jeden Geschäftsbereich eigene Marken aufbauen sollen, aber das kostet viele Ressourcen. Die Entwicklung verläuft so dynamisch, dass wir diese Ressourcen lieber in die Gestaltung der Geschäftsprozesse investieren.“
Etiketten aller Art, auch veredelt mit Lack, Metalliceffekten oder Metallfolie, sind nach wie vor das Kerngeschäft von Labelprint24. Bedruckte Versandverpackungen sind besonders im Online-Handel sehr gefragt – Labelprint24-Kunden können auch solche Produkte farbkonsistent aus einer Hand bekommen.
Zudem, so Kasper, sei die Nachfrage nach Verpackungen vor allem durch bestehende Etikettenkunden getrieben: „Die Kunden möchten gerne alles aus einer Hand, auch weil sie sich darauf verlassen können, dass der Druck über alle Produkte hinweg zu 100 Prozent konsistent ist. Dafür sorgen unsere Farbprofile.“ Bei Labelprint24 will man den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen: Noch produktivere Maschinen sollen in Zukunft die Vision von einer Top-Qualität ab Auflage eins innerhalb kürzest möglicher Lieferzeiten vorantreiben.
Vom Akzidenzdruck zum Etikettendruck und noch viel weiter: Die harder-online GmbH mit ihrer Marke Labelprint24 versteht sich als internationales Technologieunternehmen – als Produzent, aber auch als Ideengeber, Lösungsanbieter und Digital-Denker. Mit 80 Mitarbeitern an unterschiedlichen Standorten werden nicht nur Etiketten, Faltschachteln, Beipackzetteln, Laminattuben und Umverpackungen gefertigt, sondern vielfältige IT-Lösungen, entwickelt, zum Beispiel für die Online-Kalkulation und integrierte, automatisierte Lieferketten. Die volldigitale Produktionsweise ermöglicht kürzeste Lieferzeiten und die Individualisierung von Druckprodukten über die Auflage hinweg.