29. März 2024
2015 wurde am Standort Barßel neu gebaut. Aus der FOPAC wurde die Focke Packaging Solutions.

Focke kann auch anders

Wenn von „Hidden Champions“ die Rede ist, sind meist mittelständische Unternehmen in der Provinz gemeint, die trotz ihrer technologischen Exzellenz kaum im Rampenlicht stehen. Auf die Focke Packaging Solutions GmbH trifft das auch ganz wörtlich zu: Den kleinen Ort Barßel im Cloppenburger Land, Sitz des Unternehmens, muss man auf der Landkarte lange suchen.

Hat man aber die längere Anfahrt über die Landstraßen im Nordwesten Niedersachsens geschafft, steht man vor einem modernen Firmengebäude, mit erkennbar erst vor kurzer Zeit errichteten Produktionshallen. „Und weitere Hallen sind bereits in Planung!“ betont Christoph Triphaus, Director Operations, mit hörbarem Stolz, in den sich auch so etwas wie Aufbruchstimmung mischt. Hier in Barßel fertigt Focke Verpackungsmaschinen für „alles außer Tabak“, so Triphaus weiter, und spätestens jetzt werden Branchenkenner aufhorchen: Denn Focke gilt nach wie vor vielen von ihnen als Synonym für Ultrahochgeschwindigkeits-Verpackungsmaschinen für die Tabakindustrie: 1955 von Dr. Heinz Focke in Verden bei Bremen gegründet, hat sich das Familienunternehmen in diesem Sektor eine einzigartige Marktposition erarbeitet.

Der Ingenieur bestand darauf, seine Maschinen nach den höchsten technischen Standards zu konstruieren und nur die besten Herstellungsmethoden anzuwenden, um höchste Qualität, Effizienz, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit zu erzielen. Dabei hat Focke immer wieder neue Maßstäbe in Bezug auf Leistung und Produktqualität gesetzt. Das Unternehmen hat sich insbesondere in der Kinematik, also der Bewegungssteuerung in Verbindung mit extremer Maßgenauigkeit, einen Namen in der Branche gemacht. Diesen Erfindergeist gepaart mit hoher Ingenieurskunst findet man auch am Standort Barßel: Als Heinz Focke 1976 dorthin reiste, um ein Bohrwerk aus der Insolvenzmasse der Barßeler Maschinenbau-Gesellschaft (BMG) zu erwerben, erkannte er das Potenzial des Standortes und der Belegschaft. Kurzerhand kaufte Focke das Grundstück, die Gebäude und die Maschinen und gründete die FOPAC Maschinenbau GmbH, aus der schließlich 2015 die Focke Packaging Solutions GmbH wurde.

Blick in eine der neuerrichteten Fertigungsstätten von Focke in Barßel. Foto: Focke

Auf Wachstumskurs

Hier ist heute der Geschäftsbereich „General Packaging“ (GP) der Focke Gruppe angesiedelt. Hier entwickelt und produziert das Unternehmen maßgeschneiderte Verpackungslösungen zum Beispiel für Hygieneartikel und Produkte aus Tissue-Papieren sowie für die Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie. Das Portfolio umfass unter anderem Maschinen zur Beutelverpackung von Hygieneartikeln, Case Packer als Seiten- und Toplader, Wrap-Around- und Traypacker sowie Palettierer und Bundler. Einkauf, Vertrieb, Engineering, Projektmanagement, Montage und Service sind an einem Standort zusammengefasst. Hinzu kommen weltweit in vielen Ländern angesiedelte Service- und Vertriebsstationen mit jeweils lokalen Mitarbeitern – ein wichtiges Bindeglied für den Marktzugang in unterschiedlichen Kulturen. Spezialität von Focke GP sind so genannte End-of-Line-Verpackungslösungen, die auch eine schonende Produkthandhabung für empfindliche Produkte wie Snacks und Backwaren umfassen. Die Hygienebranche bedient Focke GP mit Hochgeschwindigkeits-Verpackungslinien zum Verpacken von Produkten wie Damenbinden, Windeln und Pads, die in Beuteln oder Kartons verpackt werden. Die Maschinen sind für den 24-Stunden- / 7-Tage-Betrieb ausgelegt.

Noch ist der Anteil des Geschäftsbereiches GP am Gesamtumsatz der Focke Gruppe gering, aber, so Peter Schulenberg, Director Sales: „Wir sind auf Wachstumskurs. Besonders im Hygiene- und Lebensmittelbereich sehen wir ein sehr großes Potential.“ Dafür sieht der Manager mehrere Gründe: „Zum einen profitieren wir von den Erfahrungen und dem Know-how unserer Kollegen aus dem Tabak-Geschäft. Unsere Wettbewerber haben in der Regel keine 60 Jahre Erfahrung im High Speed Packaging, wie es in der Tabakindustrie üblich ist. Daraus resultieren Taktzahlen, die im Konsumgüterbereich konkurrenzlos sind.“ Einen anderen Wachstumstreiber identifiziert Schulenberg in Gestalt des wachsenden E-Commerce: „Wir werden hier in den nächsten acht bis zehn Jahren einen Umbruch in Richtung ‚Verpackung-on-demand‘ erleben“, prognostiziert er. Daraus resultiere ein steigender Bedarf an schnellen und flexiblen Verpackungsmaschinen auch für kleine Packungsgrößen – ein Markt wie geschaffen für ein technologiegetriebenes und forschungsorientiertes Unternehmen wie Focke GP.

Diese Kompetenzen spielt Focke auch bei aktuellen Herausforderungen aus, etwa wenn es um Kartonverpackungen für die schnelle Logistik geht (shelf-ready packaging). Das Unternehmen verfügt über eine eigene Abteilung, die sich ausschließlich mit der Verpackungsentwicklung beschäftigt und bereits einige neue Typen von Kartonagen auf den Markt gebracht hat. Wichtig ist Peter Schulenberg aber auch noch ein dritter Faktor für das weitere Wachstum seines Unternehmens: „Der Markt verlangt mehr Nachhaltigkeit. Hier können wir mit einem optimieren Energieverbrauch punkten, indem wir beispielsweise durch Rekuperation Bewegungsenergie zurückgewinnen und wieder in die Kinetik einspeisen. Aber auch die extreme Langlebigkeit und Robustheit unserer Maschinen, die nicht selten 30 Jahre alt werden und während dieser Zeit mehrere Verlagerungen hinter sich haben, verringert den ökologischen Fußabdruck.“ Dies könne nur durch die Nutzung erstklassiger Komponenten und durch ein striktes Qualitätsmanagement erreicht werden.

Frischer Wind ist wichtig

Hinter all dem, auch das sah Heinz Focke in den 1970-er Jahren bereits deutlich, stehen neben den Faktoren Material und Maschine vor allem die Menschen – Menschen, die eine Faszination für Technik und ihre Anwendungen haben, und die motiviert sind, höchste Qualitäts- und Strukturstandards einzuhalten. Er übernahm viele der damaligen Mitarbeiter der BMG und legte damit einen personellen Grundstock, von dem Focke GP bis heute profitiert. „Wir haben hier nur sehr wenig Fluktuation. Viele unserer Mitarbeiter sind von Anfang an dabei gewesen – 40 Jahre und länger!“ sagt Josef Schulte, Director Engineering. Das bedeutet auch, dass das Know-how im Unternehmen bleibt und an die nächste Generation weitergegeben werden kann: „Wir brauchen kreative Spezialisten und gut ausgebildete Ingenieure. Darum haben wir spezielle Programme aufgelegt, um junge Menschen aus der Region für die Tätigkeit bei Focke zu gewinnen“, so Schulte weiter. „Gerade die Generation der Digital Natives bringt frischen Wind und neue Perspektiven ins Unternehmen. Für uns ist das extrem wichtig, um die Möglichkeiten der neuen Technologien auch wirklich zu nutzen und ihre Potenziale zu erkennen.“

Ein Beispiel für diese Potenziale ist die Visualisierungssoftware VISU 3000, die von Focke entwickelt wurde. Sie dient als intuitive bedienbare Benutzeroberfläche, kann aber noch viel mehr: Sie ermöglicht es, Maschineneinstellungen schrittweise zu speichern und kann auf ein Mobilgerät wie etwa einem Tablet gespiegelt werden. VISU 3000 kann außerdem Schichtpläne erstellen und kennt über die in den Maschinen verbaute Sensorik deren Zustand. Die Software ermittelt im Sinne eines Predictive Maintanance Konzepts über diese Daten sich anbahnende, verschleißbedingte Schäden an relevanten Bauteilen, meldet die zu ersetzenden Teile und kann selbst die Ersatzteilbeschaffung automatisch auslösen. Auf diese Weise lassen sich ungeplante Stillstandszeiten vermeiden. Das System ist auch für weitere Industrie 4.0-Applikationen vorbereitet.

Fotos: Focke


Seit der Gründung im Jahr 1955 hat Focke & Co mehr als 21.000 Maschinen in mehr als 70 Länder geliefert. Neben dem Hauptsitz und den Geschäftsbereichen in Deutschland unterhält das Familienunternehmen Vertriebs- und Serviceniederlassungen auf allen Kontinenten. Die Focke Packaging Solutions GmbH in Barßel ist das zweitgrößte Unternehmen der Focke-Gruppe und bedient die Hygiene-, Tissue-, Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie mit dem gesamten Spektrum an Einkauf, Vertrieb, Engineering, Projektmanagement, Montage und Service.

Andreas Tietz

Andreas Tietz ist Diplom-Journalist mit Spezialisierung auf technisch-wissenschaftliche Themen. Nach mehreren Jahren in der IT-Branche berichtet er seit 2006 in verschiedenen Fachmedien über Neuigkeiten aus der Druck- und Papierindustrie sowie der Verpackungsindustrie.

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