Im Tagesgeschäft von Etikettendruckereien beeinflussen unvorhergesehene Situationen tagtäglich die geplanten Prozessabläufe. Oftmals sind es Termingründe oder kurzfristige Änderungen, die die Auftragsreihenfolge durcheinander bringen oder den Ablauf verzögern. Ein perfekt gestalteter Prozess, so führt es Dieter Finna von pack.consult in diesem Artikel aus, sollte in der Lage sein, sich schnell an neue Situationen anzupassen. Die Voraussetzungen dafür werden im Prozessmanagement geschaffen.
„Zu den zentralen Aufgaben im Prozessmanagement gehört, die Ursachen von Störfaktoren zu analysieren und Lösungen zu finden, die die Auswirkungen auf die geplanten Arbeitsabläufe gering halten. Es geht darum, Zeitverlust oder Mehraufwand zu vermeiden bzw. zu minimieren. Neben der Analyse kurzfristiger Einflussfaktoren verfolgt das Prozessmanagement auch mittel- bis längerfristige Ziele. Dabei geht es um die Untersuchung von Markttrends und ihre Auswirkungen auf das Produktportfolio. Damit der Maschinenpark auch bei sich ändernden Markttrends universell einsetzbar ist, wird großer Wert auf hohe Flexibilität der Maschinensysteme hinsichtlich ihrer Konfigurierbarkeit und Nachrüstbarkeit gelegt. Diese Flexibilität bringt, wie wir sehen werden, nützliche Vorteile für das Tagesgeschäft mit sich.
Prozessanalyse deckt Effizienzunterschiede auf
Heute bieten Schmalbahnmaschinen durch ihre modulare Bauweise und ihrem hohen Automatisierungsgrad einen großen Komfort bei der Maschinenbedienung. Bei genauerer Analyse des Zeitbedarfs einzelner Arbeitsschritte zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede bei den Einricht- und Umrüstzeiten der am Markt angebotenen Maschinensysteme. Im Tagesgeschäft führt dies zu deutlichen Effizienzunterschieden. Diese machen sich besonders bemerkbar, wenn externe Einflussfaktoren hinzukommen und nicht alles nach Plan läuft. Darum untersuchen größere Etiketten- und Verpackungsdruckereien die Prozesszeiten einzelner Arbeitsschritte der eingesetzten Maschinensysteme sehr genau. Die Erkenntnisse daraus nutzen sie zur Optimierung der Prozessabläufe.
Praxisgerechte Referenzwerte
Als Referenzwerte für die folgenden Beispiele dienen Leistungsdaten aktueller Maschinensysteme im Praxisbetrieb. Sie verfügen als Basisausstattung entweder über UV-Offset- oder UV-Flexodruckwerke und lassen sich für die weitere Konfiguration mit allen anderen gängigen Druckverfahren ergänzen. Die Erweiterungsmöglichkeiten umfassen Rotationssiebdruck, teilweise Lösemitteltiefdruck, Heißfolienpräge- und Kaltfolienapplizierung, Lackauftrag sowie Laminierung oder Kaschierung.
Prozesse, die das Prozessmanagement zur Steuerung externer Faktoren u.a. untersucht:
• Prozesswechsel-Zeiten
• Rüstzeiten bei Auftragswechsel
• Reproduzierbarkeit von Aufträgen
• Bahntransport
• Bahnwege
• Materialvielfalt
• MultiWeb
• Flying Inprint
• Digitalhybride Lösungen
Einstieg in die Prozessanalyse
Sollte in einem Betrieb noch keine Erfahrung im Prozessmanagement vorhanden sein, bietet sich ein Pilotprojekt für den Einstieg an, bei dem Abläufe mit Rüstzeiten im Vordergrund stehen, beispielsweise die Analyse geplanter oder kurzfristiger Auftragswechsel. Da ihre Anzahl von Druckerei zu Druckerei unterschiedlich ist, ermittelt das Prozessmanagement, wie häufig Störfaktoren auftreten und wie stark sie sich auswirken. Anschließend identifiziert es Möglichkeiten, wie die Störfaktoren behoben werden können. Dazu ein paar Beispiele.
Einfluss der Prozesswechsel-Zeiten
Die Auftragsstruktur einer Etikettendruckerei zeigt in der Analyse im Durchschnitt vier Auftragswechsel pro Schicht, bei denen ein Prozesswechsel nötig ist. Die ermittelte Wechselzeit für den Tausch eines Druckwerks beträgt 30 Minuten. Konkret heißt dies, dass jeder ungeplante Prozesswechsel die nachfolgenden Aufträge entsprechend verzögert und Termine teils neu geplant werden müssen. Vergleicht das Prozessmanagement die Prozesswechsel-Zeiten gleichwertiger Maschinensysteme, so zeigt sich, dass ein Maschinensystem mit optimiertem Bahnlauf nur fünf Minuten für einen Prozesswechsel benötigt, anstatt 30 Minuten.
Bei durchschnittlich vier Prozesswechseln pro Schicht führt dies zu einer Zeitersparnis von 100 Minuten, bzw. ermöglicht 20 Prozent mehr Fertigungszeit pro Schicht. Der Unterschied ergibt sich dadurch, dass bei dem zweiten Maschinensystem die Bahn beim Prozesswechsel nicht getrennt werden muss. Werden im Tagesgeschäft kurzfristige Prozesswechsel notwendig, wirken sie sich bei diesem Maschinensystem so gut wie nicht auf die Terminplanung und Maschinenverfügbarkeit aus. Das Maschinensystem ist deshalb deutlich weniger anfällig für äußere Einflüsse und produziert kostengünstiger.
Einfluss von Farb- oder Lackwechseln
Farb- und Lackwechsel zählen zu den Routinetätigkeiten beim Umrüsten auf einen neuen Auftrag und kommen im Tagesgeschäft relativ häufig vor. Bei einem Wechsel von Matt- auf Glanzlack beispielsweise müssen alle Teile des Farbwerks wie Farbkammer, Farbpumpe mit Schläuchen und Farbbehälter ausgetauscht oder gereinigt werden. Alternativ und relativ einfach ließe sich die Umrüstzeit der Maschine durch einen Wechsel des gesamten Druckwerks verkürzen. Voraussetzung ist, das Maschinensystem erlaubt dies ohne Bahntrennung. Dazu wird ein Druckwerk mit dem neuen Lack außerhalb der laufenden Maschine vorbereitet und nach Auftragsende eingewechselt. Dafür werden ca. fünf Minuten benötigt, gegenüber ca. 15 Minuten für die Reinigung des Farb-/Lackwerks beim Umrüsten. Mit der Möglichkeit zum Druckwerkswechsel ohne Bahntrennung haben ungeplante Farb-/Lackwechsel kaum noch Auswirkung auf die Terminplanung im Tagesgeschäft.
Hinzu kommt die Möglichkeit, „Flying Inprint“ zu fertigen. Diese Fertigungsweise beruht wie im Beispiel oben auf der Vorbereitung des Druckwerks bei laufender Maschine außerhalb und anschließendem Druckwerkswechsel. So können Texte oder Farben ohne Umrüstzeit selbst kurzfristig und ohne Maschinenstopp gewechselt werden, bei niedrigsten Produktionskosten.
Automatisierung bei Auftragswechsel
Im Fokus des Prozessmanagements können auch qualitative Ziele stehen, beispielsweise die Reproduzierbarkeit und damit die Produktionssicherheit von Wiederholaufträgen. In vielen Druckereien besteht die Auftragsstruktur zu ca. zwei Drittel aus Aufträgen mit kleinen Änderungen oder Wiederholern. Solch eine Auftragsstruktur lässt sich ideal für einen automatisierten Auftragswechsel nutzen. Dabei werden die kompletten Einrichte-Daten der Maschine aus einer Auftragsdatei abgerufen und alle notwendigen Parameter wie Bahnführung, Längs- und Querregister, Druckparameter und Stanzwerkzeug der Maschine automatisch eingestellt.
Auch beim automatischen Auftragswechsel weisen die Maschinensysteme deutliche Unterschiede auf, die sich in der Reproduzierbarkeit der Druckqualität zeigen. Im Prozessmanagement wird erfasst, wie oft es zu Abweichungen vom Standard bei automatischen Wechseln kommt und wie hoch der Zeitbedarf für das Nachjustieren ist. Ein Höchstmaß an Reproduzierbarkeit wird mit Maschinensystemen erreicht, bei denen direkt angetriebene Servomotoren die Antriebswalzen ansteuern. Druckwerke, in denen Zahnräder oder Riemen zum Einsatz kommen, besitzen diese Präzision nicht.
MultiWeb und Produktportfolio-Erweiterung
Bei Substratwechseln greifen moderne Maschinen auf eine Substrat-Datenbank zurück und stellen die Bahnspannung materialspezifisch über den gesamten Bahnweg ein. Die Qualität des Bahntransports steht sowohl bei Materialwechseln als auch bei der Materialvielfalt im Interesse des Prozessmanagements. Sie entscheidet darüber, wie flexibel ein Maschinensystem unterschiedliche Bedruckstoffe verarbeiten kann. Besonders wichtig ist die Steuerung der Bahnspannung bei den im Trend liegenden MultiWeb Anwendungen. Dabei werden zwei Bahnen inline bedruckt und anschließend zusammenführt. Die Bedruckstoff-Daten der beiden Bahnen müssen unabhängig voneinander definierbar sein, damit die Bahnen registergenau übereinander passen. Das mehrbahnige Etikett darf sich vor oder bei der Applizierung auf das Endprodukt nicht durch unterschiedliche Dehnungsfaktoren wölben oder lösen. Für MultiWeb- oder Sicherheits-Applikationen wird häufig eine Stanzmöglichkeit im Druckbereich benötigt. Dazu müssen Stanz- und Gegenstanzzylinder mit geringem Adaptionsaufwand in eine Druckposition eingebaut werden können. Nur so ist eine kostengünstige Produktion möglich.
Markttrends
Hochdeckendes Weiß, Lackeffekte oder Druckveredelungsmöglichkeiten werden zunehmend in allen Consumer-Märkten gefordert. Um den Trends folgen zu können, werden die Maschinensysteme im Prozessmanagement auf ihre Erweiterungsfähigkeit und Flexibilität hin überprüft. Siebdruckwerke, mit denen sehr hohe Farb- und Lackschichtdicken übertragen werden, und auch Heiß- oder Kaltfolien-Applikation müssen mit geringstem Aufwand und kurzen Prozesswegen in eine Maschine integrierbar sein. Auch hier gibt es deutliche Unterschiede bei der Konfigurierbarkeit der Systeme, die über den Makulaturanfall beim Einrichten entscheiden.
Hoher Automatisierungsgrad und maximale Flexibilität
Die aufgeführten Beispiele zeigen, wie häufig Störfaktoren Einfluss auf das Tagesgeschäft nehmen und wie groß ihr Einfluss auf die geplanten Abläufe ist. Auf der Suche nach Lösungen im Prozessmanagement kristallisieren sich die Vorteile von Maschinensystemen heraus, die eine größtmögliche Flexibilität besitzen. Mit ihrer Ausstattung und ihrem Automatisierungsgrad bieten sie die notwendigen Voraussetzungen, um auch unter Störfaktoren im Tagesgeschäft effizient zu arbeiten. Selbst eine „ungünstige“ Auftragsreihenfolge oder erhöhte Rüstzeiten wirken sich bei ihnen kaum noch auf die Effizienz der Abläufe in der Produktion aus. So bieten flexible Maschinensysteme selbst bei höheren Anschaffungskosten das wirtschaftlich effizienteste Maschinensystem für Anforderungen im Tagesgeschäft. Das Prozessmanagement belegt dies beim Vergleich der mit Kosten einzelner Arbeitsschritte oder auch in einem Gesamtkostenvergleich von Maschinensystemen.